Harald Jähner
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“Escaping death drove some into apathy, others”
― Aftermath: Life in the Fallout of the Third Reich, 1945-1955
― Aftermath: Life in the Fallout of the Third Reich, 1945-1955
“So müde, genervt und geheilt von nationalistischer Emphase jeder Art die Nachkriegsdeutschen auch waren, ihr Zusammenhalt hatte auch in dieser Hinsicht Bestand und Konsistenz: Man verzieh sich die Naziverbrechen. Dass die Deutschen nicht miteinander abrechnen wollten, war das zweite Phänomen, das die Alliierten verblüffte. Wenn sie sich schon als Opfer fühlten, warum rächten sie sich dann nicht an ihren Peinigern? Die Alliierten hatten zunächst mit inneren Unruhen gerechnet, mit einer Welle der Gewalt, mit der die Nazigegner es ihren Verfolgern heimzahlen würden. Auch viele Widerständler hatten sich darauf vorbereitet. Aber der Überlebenskampf nach dem Zusammenbruch hatte ihnen «den Wind aus den Segeln genommen», notierte Ruth Andreas-Friedrich im Oktober 1945 in ihr Tagebuch: «Der Blockwart, der uns schikaniert, der KZ-Aufseher, der uns misshandelt, der Denunziant, der uns an die Gestapo verraten hatte. Um die Privatabrechnung mit ihnen hat uns das Schicksal betrogen. […] Ehe die Bartholomäusnacht herabsinken konnte, war aus dem Blutsauger von gestern der Leidensgefährte von heute geworden. Genosse in Abwehr gemeinsamen Unglücks.»
Auch Hannah Arendt spielte in dem Bericht über ihren Besuch in Deutschland den Gedanken an den verpassten Aufstand durch: «Die einzig denkbare Alternative zum Entnazifizierungsprogramm wäre eine Revolution gewesen – der Ausbruch einer spontanen Wut des deutschen Volkes gegen all diejenigen, die als prominente Vertreter des Naziregimes bekannt waren. So unkontrolliert und blutig eine solche Erhebung auch gewesen wäre, sie hätte sicherlich gerechtere Maßstäbe angesetzt, als das in einem papierenen Verfahren geschieht. Doch zur Revolution kam es nicht, aber nicht etwa deshalb, weil sie nur schwer unter den Augen von vier Armeen hätte organisiert werden können. Es lag wahrscheinlich allein daran, dass kein einziger deutscher oder alliierter Soldat nötig gewesen wäre, um die wirklich Schuldigen vor dem Zorn der Leute zu schützen. Diesen Zorn gibt es nämlich heute gar nicht, und offensichtlich war er auch nie vorhanden.» Also fiel die «private Vergeltung» aus – aber auch die staatliche verlief in unbefriedigenden Maßen.”
― Aftermath: Life in the Fallout of the Third Reich, 1945–1955
Auch Hannah Arendt spielte in dem Bericht über ihren Besuch in Deutschland den Gedanken an den verpassten Aufstand durch: «Die einzig denkbare Alternative zum Entnazifizierungsprogramm wäre eine Revolution gewesen – der Ausbruch einer spontanen Wut des deutschen Volkes gegen all diejenigen, die als prominente Vertreter des Naziregimes bekannt waren. So unkontrolliert und blutig eine solche Erhebung auch gewesen wäre, sie hätte sicherlich gerechtere Maßstäbe angesetzt, als das in einem papierenen Verfahren geschieht. Doch zur Revolution kam es nicht, aber nicht etwa deshalb, weil sie nur schwer unter den Augen von vier Armeen hätte organisiert werden können. Es lag wahrscheinlich allein daran, dass kein einziger deutscher oder alliierter Soldat nötig gewesen wäre, um die wirklich Schuldigen vor dem Zorn der Leute zu schützen. Diesen Zorn gibt es nämlich heute gar nicht, und offensichtlich war er auch nie vorhanden.» Also fiel die «private Vergeltung» aus – aber auch die staatliche verlief in unbefriedigenden Maßen.”
― Aftermath: Life in the Fallout of the Third Reich, 1945–1955
“Der selbstgefällige Eindruck, den die Bundesrepublik von sich machte, als sie in den sechziger Jahren stolz von einem «Eingliederungswunder!» sprach, ist durch die Forschung der letzten Jahre korrigiert worden. Viele Deutschen verhielten sich ihren geflohenen Landsleuten gegenüber nicht weniger hartherzig als gegenüber den ausländischen DPs (Displaced Persons). Daraus könnte man den womöglich tröstlichen Schluss ziehen, ihr Egoismus sei zumindest nicht rassistisch motiviert gewesen. Doch die Vertriebenen wurden gern und häufig als «Zigeunerpack» beschimpft, mochten sie noch so blond und blauäugig sein. [...] Die Zuzügler, wie sie damals von der Verwaltung genannt wurden, trafen auf eine Mauer von Ablehnung. [...] Die Einheimischen, ob in Bayern oder Schleswig-Holstein, wehrten sich teilweise so vehement gegen die Einquartierungen, dass die Vertriebenen nur unter dem Schutz von Maschinengewehren in ihre zugewiesenen Behausungen geleitet werden konnten. Gegen deren Not wappneten sich die Bauern mit einer Sturheit, die die ihrer Ochsen weit übertraf.
Der Schriftsteller Walter Kolbenhoff berichtete 1946 aus einem oberbayrischen Dorf: «Diese Bauern haben nie in Luftschutzkellern gesessen, als die Bomben hagelten und das Leben der Angehörigen erlosch. Sie sind nie frierend und hungernd über fremde Landstraßen gezogen. Sie haben, als die anderen jeden Tag, den ihnen das Leben erneut schenkte, wie eine Gabe begrüßten, auf ihren Höfen gesessen und Geld verdient. Aber dieses Schicksal hat sie nicht demütig gemacht. Es ist, als wäre alles nicht gewesen und als ginge alles sie nichts an.» [...] Besonders unwürdige Szenen spielten sich ab, wenn die Bauern selbst bestimmen konnten, wen aus der ankommenden Flüchtlingsgruppe sie aufzunehmen bereit waren. Es ging zu wie auf dem Sklavenmarkt. Man wählte unter den Männern die Kräftigsten, unter den Frauen die Schönsten und stieß die Schwachen unter höhnischen Bemerkungen weg. Manche Bauern sahen in den Vertriebenen einen ihnen rechtmäßig zustehenden Ersatz für die Zwangsarbeiter und reagierten wütend auf das Ansinnen, den «Polacken» künftig angemessenen Lohn zahlen zu sollen.”
― Aftermath: Life in the Fallout of the Third Reich, 1945–1955
Der Schriftsteller Walter Kolbenhoff berichtete 1946 aus einem oberbayrischen Dorf: «Diese Bauern haben nie in Luftschutzkellern gesessen, als die Bomben hagelten und das Leben der Angehörigen erlosch. Sie sind nie frierend und hungernd über fremde Landstraßen gezogen. Sie haben, als die anderen jeden Tag, den ihnen das Leben erneut schenkte, wie eine Gabe begrüßten, auf ihren Höfen gesessen und Geld verdient. Aber dieses Schicksal hat sie nicht demütig gemacht. Es ist, als wäre alles nicht gewesen und als ginge alles sie nichts an.» [...] Besonders unwürdige Szenen spielten sich ab, wenn die Bauern selbst bestimmen konnten, wen aus der ankommenden Flüchtlingsgruppe sie aufzunehmen bereit waren. Es ging zu wie auf dem Sklavenmarkt. Man wählte unter den Männern die Kräftigsten, unter den Frauen die Schönsten und stieß die Schwachen unter höhnischen Bemerkungen weg. Manche Bauern sahen in den Vertriebenen einen ihnen rechtmäßig zustehenden Ersatz für die Zwangsarbeiter und reagierten wütend auf das Ansinnen, den «Polacken» künftig angemessenen Lohn zahlen zu sollen.”
― Aftermath: Life in the Fallout of the Third Reich, 1945–1955
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