Special: Selbst ist der Mann: Der neue Singleplayer-Trend

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Special Benedikt Plass-Fleßenkämper - Autor
Selbst ist der Mann: Der neue Singleplayer-Trend.
Quelle: PC Games

Ach, lasst mich doch in Ruhe! Computer- und Videospiele wieder alleine und intim genießen - das scheint der neue Trend zu sein. Geselligkeit ist out, Einsamkeit in. Zumindest legen das Hypes um aktuelle Hits wie The Witcher 3 oder Bloodborne nahe. Doch was ist wirklich dran am Solisten-Trend? PC Games über die Welt des intimen Zocks und unbequeme wirtschaftliche Realitäten.

Bevor wir mit unserer Headline eine neue Sexismusdebatte vom Zaun brechen und passionierte Digital-Femen ihre magischen Plus-2-Schwerter wetzen: Natürlich könnte es genauso gut heißen "Selbst ist die Frau"! Denn obwohl weibliche Spieler als ausgesprochen gesellige Spezies gelten und die "World-of-Warcraft-Hausfrau" zur weltumspannenden Bewegung geworden ist, so gibt es doch mindestens genauso viele Frauen, die ihr Spiel wie ein gutes Buch genießen wollen. In Ruhe. Alleine. Mit einer Tasse Tee und dem Schmusekater auf dem Schoß. Oder so ähnlich.

Allein ist fein

Frauen wie Julia Katharina Lenz: Die 28-jährige Linguistin und Phonetikerin aus Köln ist bereits seit frühester Jugend passionierte Singleplayerin. Einem The Elder Scrolls 5: Skyrim oder Zelda gibt sie gegenüber einem World of Warcraft jederzeit den Vorzug. Sie selber erklärt uns, dass sie "wie wahrscheinlich die meisten Gamer eines gewissen Alters mit Konsolen aufgewachsen" ist, die "in Ermangelung von Internet rein offline spielbar waren und in seltenen Fällen Mehrspieler-Optionen geboten haben". Und weiter: "Besonders intensive Spielerlebnisse verbinde ich demnach mit den frühen Zelda-Titeln oder der Final Fantasy-Reihe. Bis heute kann ich mich nur in wenigen Fällen mit Multiplayer-Spielen anfreunden, weil ich mich dort ein Stück weit um mein ganz persönliches Spielerlebnis beraubt fühle."

So überzeugend sieht eine offene Welt nur in Singleplayer-Titeln aus: Wald, Flur und Leichenberge in The Witcher 3. Quelle: PC Games So überzeugend sieht eine offene Welt nur in Singleplayer-Titeln aus: Wald, Flur und Leichenberge in The Witcher 3. Lenz sagt, dass sie gute Geschichten, überraschende Charakterentwicklungen und weite, offene sowie detaillierte Welten liebe. "Und ich habe eben das Gefühl, dass in Multiplayer-Games genau daran gespart wird - vielleicht in der Hoffnung, das Spielerlebnis ausreichend unterhaltsam zu machen. Oder aus technischen Gründen. Oder weil man mutmaßt, dass die Spieler sich Story und Dynamik gewissermaßen selber schreiben. Ich will aber ein Skyrim, Fallout, Dark Souls oder God of War als alleiniger Protagonist im Zentrum erleben - und das in meinem ganz persönlichen Tempo und mit meiner eigenen Spielweise. Ich will mich in meinem eigenen Abenteuer nicht auf andere Leute verlassen müssen, über Trolle stolpern oder mich unnötig unter Druck setzen lassen. Gerade bei fantasievollen Settings reißen mich 'Störfaktoren' von außen schnell aus dem Erlebnis."

Die Ursprünge des modernen Mehrspieler-Hypes

Mit ihrer Passion für Solotrips ist die Kölnerin allerdings nicht allein: Gamer, Händler und nicht zuletzt Spielepublisher verzeichnen nicht zuletzt seit der neuen Konsolengeneration einen zunehmenden Trend zurück in Richtung "klassisches Singleplayer-Gameplay". Notorische Verweigerer von Next-Gen-Konsolen zum Beispiel beklagen die Notwendigkeit eines Online-Anschlusses und überhaupt so ziemlich alles, was nicht in das gute alte Nerd-Bild passt. Dabei war die allgemeine "Ver-Onlinung" bis vor wenigen Jahren noch das große Ding: Nach dem Erfolg der ersten Multiplayer-Blockbuster war fast jeder Hersteller drauf und dran, eigene Mehrspielermarken zu etablieren - oder idealerweise sogar solche Brands in den Kosmos des Rudel-Gaming zu überführen, die eigentlich aus dem Reich des isolierten Spielvergnügens stammen.

Bethesdas Antwort auf den Skyrim-Erfolg: ausgerechnet das Online-Rollenspiel The Elder Scrolls Online. Quelle: PC Games Bethesdas Antwort auf den Skyrim-Erfolg: ausgerechnet das Online-Rollenspiel The Elder Scrolls Online. Auf diese Weise kommen ursprünglich im Einzelspieler-Universum beheimatete Hersteller wie Bethesda plötzlich auf die Idee, ein Brink zu veröffentlichen. Oder ihre The Elder Scrolls-Serie in ein MMORPG zu verwandeln. Und das fast unmittelbar, nachdem man mit TES 5: Skyrim gerade erst gezeigt hat, dass das Singleplayer-Rollenspiel eben doch nicht tot ist. Oberflächlich betrachtet liegt der Grund für die jahrelang grassierende "Multiplayer-Seuche" auf der Hand: Stetiger Kundenzulauf spricht für einen erhöhten Bedarf - und der wird von den Herstellern durch die Lieferung weiterer Gattungs-Vertreter "belohnt". Während der von Julia Lenz zitierten, frühen Konsolen-Zeit bedeutete "Multiplayer" noch so viel wie "mit mehreren zusammen vor einer Hardware" - beispielsweise, indem man jedem ein Pad in die Hand drückte oder es abwechselnd von einem zum anderen reichte. Wer Abenteuer wie ein Monkey Island oder Elite mit anderen zusammen erleben wollte, der musste zwangsläufig die Kontrollinstrumente herumreichen - und die anderen dabei zu Zuschauern degradieren. Der "Multiplayer"-Modus war das Wechselspiel aus "Hey, Du! Lass mich auch mal!" und "Hmmm... na schön. Hier."

Hiermit fing alles an: Ultima Online war das erste im Mainstream erfolgreiche MMORPG. Quelle: PC Games Hiermit fing alles an: Ultima Online war das erste im Mainstream erfolgreiche MMORPG. Doch mit den VGA-Grafikkarten und dem Spiele-PC als Ablösung für die alten Heimcomputer C64 und Amiga etabliert sich Anfang der Neunzigerjahre ein Phänomen, das sich für die spätere Mehrspieler-Bewegung als wegweisend erweisen soll: Um Titel wie Doom und Quake formieren sich die ersten LAN-Partys - und erlauben einen frühen, vagen Ausblick darauf, wie sich das Miteinander im Netz anfühlen könnte. Denn tatsächlich unterscheidet sich das gegenseitige Beharken in lokalen Netzwerken auf dramatische Weise vom Spiel via Internet: LAN-Party-Besucher konstruieren, basteln und spielen im selben Raum; sie sind ein lokaler Hobbyisten-Treff, bei dem jeder förmlich zum sozialen Miteinander gezwungen wird. Viele zuvor isoliert lebende Computer-Nerds erlernen auf diese Weise den Umgang mit Gleichgesinnten. Ultima Online schließlich gestattet uns 1997 einen ersten Vorgeschmack darauf, wie sich das spätere MMO-Genre anfühlen wird: kommunikativ. Drei Jahre später sind auch Konsoleros an der Reihe: Mit Segas Phantasy Star Online bekommt der Dreamcast das erste Beinahe-Online-Rollenspiel der Konsolenwelt. In der Lobby tummeln sich zahllose Abenteurer, doch das eigentliche Spiel schließlich ist stark instanziert und auf kleine Spielergruppen reduziert.

Dass durch die Online-Fokussierung ein wichtiger Teil des eigentlichen Miteinanders flöten geht, das erahnt man zu dieser Zeit bestenfalls. Heute dagegen ist es ein anerkannter Fakt, dass viele passionierte Online-Multipayer einsamer und stärker desozialisiert sind als so mancher Dauer-Singleplayer: Die Verpflichtung gegenüber der Online-Gruppe zieht den WWW-Mehrspieler stärker vom sozialen Miteinander der "echten Welt" ab als es ein Singleplayer-Spiel je könnte.

11:49
The Witcher 3: Die PS4-Version im extra langen Videotest

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    • Kommentare (62)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von Taiwez Spiele-Enthusiast/in
        Bei mir kommt es immer ziemlich stark darauf an, worauf ich grade Lust habe.

        Einerseits bin ich ziemlich froh, wenn ich nach der Arbeit ganz gemütlcih ein paar Stunden in einem Singleplayer-Spiel verbringen kann, andererseits suche ich aber auch oft die Herausforderung und will mich mit anderen messen. Dann spiele ich vor allem Spiele wie League of Legends oder auch mal eine Runde Starcraft 2 Online. Das hat bei mir aber auch über die Jahre hinweg abgenommen, als ich noch zur Schule gegangen bin, bzw. als ich noch in der Ausbildung gewesen bin, hatte ich einfach merklich mehr Zeit und Motivation. Jetzt bin ich meistens froh, wenn ich nach der Arbeit mal ein wenig abschalten kann, da passen Singleplayer-Spiele einfach besser. Übrigens bin ich auch keiner der "Hardcore-Gamer" , die alle Spiele immer auf dem schwersten Schwierigkeitsgrad spielen, das ist mir dann auch wieder zu anstrengend. :-D Ich lasse mich da lieber berieseln und versinke am liebsten in stimmige Rollenspielwelten, genau mein Ding. ;-)
      • Von Taiwez Spiele-Enthusiast/in
        Bei mir kommt es immer ziemlich stark darauf an, worauf ich grade Lust habe.

        Einerseits bin ich ziemlich froh, wenn ich nach der Arbeit ganz gemütlcih ein paar Stunden in einem Singleplayer-Spiel verbringen kann, andererseits suche ich aber auch oft die Herausforderung und will mich mit anderen messen. Dann spiele ich vor allem Spiele wie League of Legends oder auch mal eine Runde Starcraft 2 Online. Das hat bei mir aber auch über die Jahre hinweg abgenommen, als ich noch zur Schule gegangen bin, bzw. als ich noch in der Ausbildung gewesen bin, hatte ich einfach merklich mehr Zeit und Motivation. Jetzt bin ich meistens froh, wenn ich nach der Arbeit mal ein wenig abschalten kann, da passen Singleplayer-Spiele einfach besser. Übrigens bin ich auch keiner der "Hardcore-Gamer" , die alle Spiele immer auf dem schwersten Schwierigkeitsgrad spielen, das ist mir dann auch wieder zu anstrengend. :-D Ich lasse mich da lieber berieseln und versinke am liebsten in stimmige Rollenspielwelten, genau mein Ding. ;-)
      • Von SirThomas70 Gelegenheitsspieler/in
        Zitat von billy336
        man darf aber nicht vergessen, dass für viele Pro-Gamer der Single Player schlicht zu anspruchslos ist.
        Wieviel herausforderung ist es Gegner zu bekämpfen die immer nach dem selben Schema handeln, egal wie gut die KI ist.

        Multiplayer ist einfach die absolute Herausforderung gerade für Pro Gamer, da man dort bis aufs maximum gefordert ist.

        Mit anderen Worten: Es gibt IMMER einen der besser ist als man selbst. Dagegen kann eine noch so hervorragende KI einfach nicht mithalten.

        Wer die maximale herausforderung sucht kommt an Multiplayer-Games nicht drumrum.
        Wer nicht Frustresistent ist oder einfach nur ab und zu gemütlich daddeln möchte für den is SP ausreichend...
        Naja, das gilt nur für den Kreis,der Games nur wegen einer Herausforderung spielt.
        Die meisten wollen aber auch Geschichten/Wendungen etc erleben,oder? Und die gibts nunmal nicht im MP.
        Ich messe mich gerne und oft mit anderen in BF und co, aber gegen die Erlebnisse eines Witchers z.B. ist das nichts ^^
      • Von OutsiderXE Spiele-Enthusiast/in
        Ich lauf dem Trend wohl immer total hinterher :D Hab seit SC2: Wings of Liberty nicht mehr richtig Multiplayer gespielt; seitdem nur SP und jetzt mit Heroes of the Storm, Dead Space 3 Coop und Unreal Tournament wieder MP.
      • Von Frullo
        Ich spiele hauptsächlich solo – was aber nicht heissen soll, dass ich ausschliesslich reine SP-Titel spiele oder reine MP-Titel gänzlich meide.

        Meine Zeit in WoW habe ich meistens alleine verbracht – es ging sogar so weit, dass ich meinen Main von einem PvP- auf einen PvE-Server transferiert habe, weil mir meine Zeit zu schade war, um sie an irgendwelche High-Level-And-Gear-Idioten zu opfern, deren Spielspass darin bestand, den Spielspass anderer zu vermiesen. In SWTOR war ich dann zwar etwas geselliger, aber spätestens ab dem Moment in dem man sich als OP-Noob einer 16-er-OP anschliesst, bringt man in Erfahrung wie tief bei einigen Leuten die Hemmschwelle sinkt, wenn eine digitale Trennwand da ist… seither meide ich MP mit Fremden.

        Eigentlich spielt das Etikett (SP/MP) auf dem Spiel für mich nicht wirklich eine Rolle. Entscheidend ist dann eher, ob ich es alleine (gänzlich oder zumindest grösstenteils) spielen kann oder nicht. Deswegen bevorzuge ich beispielsweise auch ein TL2 gegenüber D3: Sobald ein Spiel eine Always-On-Komponente besitzt, bedeutet dies automatisch dass ich das Spiel nicht immer dann spielen kann, wann ich will, sondern nur dann wann es der Betreiber will (hinzu kommt, dass solche Spiele viel weniger gekauft als gemietet sind: Irgendwann gehen die Server offline, und dann ist das Spiel nur noch digitaler Müll auf der Festplatte…aber das ist jetzt ein anderes Thema, darum in Klammern).

        Die genialsten Spiele sind natürlich diejenigen, die beide Lager gleichermassen zu bedienen wissen, ohne dabei aber Abstriche auf der einen oder auf der anderen Seite zu fordern. Bestes Beispiel für mich ist hierbei SC bzw. SC2: Ich finde die SP-Kampagnen zu diesen Spielen extrem gut gelungen und doch rangieren sie unter den Besten der Besten des MP-Olymps. Aber solche Hybride sind leider selten.
      • Von HonestLazyBum Spiele-Enthusiast/in
        Ich selbst bin mit Beidem großgeworden - zunächst NES, dann SNES, dann Amiga 500, Playstation, Playstation 2 + PC und genau da endet meine Konsolenzeit. Warum?

        Ganz einfach: weil konsolen für mich etwas sind wo ich mich mit Freunden real getroffen habe um zu zocken, meine vielen Umzüge und damit stetig sich verändernden Umgebungen haben das natürlich sehr erschwert bis ich irgendwann, auch da ich via PC schon früh sehr aktiv in MMOs war, beschlossen hatte mich darüber zu vernetzen - auch für andere Titel eben.

        Ich genieße, so wie immer im Leben, einfach das Beste von Allem. ich fidne es hirnrissig zu sagen "Aber ich zocke nur X!!!". Das sind genau die Gedanken wie bei Menschen die nur Genre X hören und sich daher den Rest entgehen lassen. Kurzum: einfach traurig und bemitleidenswert.

        Die größten Abenteuer meines virtuellen lebens hingegen habe ich eindeutig auf dem PC erlebt und das in.. genau: Ultima Online. Da kommt nicht ein einziger Titel auch nur im Entferntesten dran und wirds wohl auch nicht mehr weil die Community der MMO-Spieler sich geändert hat (ich war dereinst beispielsweise einmal Anführer einer Gruppe von Wegelagerern die so populär wurden, dass Spieler freiwillig Gold oder Nahrungsmittel mitbrachten da sie zum Einen ahnten auf uns zu treffen und zum Anderen gern mit ins RP einsteigen können wollten etc.). Da haben sich teilweise monatelange RP Kampagnen entwickelt, spontan, ohne fremde Beihilfe) - insbesondere auf inoffiziellen Servern. Erst danach kommen Titel wie Ambermoon, Fallout 2, Planescape: Torment etc. die ich noch heute als Meisterwerke betrachte.

        Derzeit bin ich mal wieder in einem Singleplayertitel unterwegs, allerdings sind die eben mehr oder minder Unterbrechungen im fortlaufenden MMO-Engagement. Oder ist das andersrum? Wer weiß, ich hab auf jeden Fall überhaupt keine Ambitionen mich für irgendwas festzulegen.

        PS:
        Da ich auch sehr gern Pen&Paper Rollenspielen fröhne, selbst das ist jetzt viel leichter geworden dank PC und beispielsweise der Plattform "roll20.net". Diese bieten nämlichgenau die Möglichkeiten die man daz benötigt und man kann sich wunderbar vernetzen, so dass meine seit 4 Jahren andauernde Kampagne dementsprechend auch international ist und ich nie wieder im Keller von X, auf dem Dachboden von Y etc. hocken brauche, keine Regelwerke durch die Pampa karren muss und ich zuverlässige Mitstreiter gefunden habe die auch wirklich immer zum verabredeten Zeitpunkt da sind.

        Das mal am Rande zum Thema "Was die Nerds von früher heut so treiben und we sozial oder nicht sie sind". Ich bin einfach alles gleichzeitig und pick mir überall die Rosinen raus, hab ich mit meiner Weltanschauung schließlich auch so gemacht :P
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